Osman Kavala zu lebenslanger Haft verurteilt
Die Vorwürfe sind absurd, Beweise gibt es nicht. Trotzdem könnte Osman Kavala heute zu lebenslanger Haft verurteilt werden. Der Prozess gegen ihn zeigt, wie sehr die türkische Justiz ihre Unabhängigkeit eingebüßt hat.
Die Liste der politischen Gefangenen in der Türkei ist lang, ebenso die der politisch motivierten Prozesse. Denn die türkische Justiz hat ihre Unabhängigkeit in dem Maße verloren, wie Präsident Recep Tayyip Erdogan alle Macht in seinem Präsidialpalast bündelt und über seine Anwälte in die Justiz eingreift. Diese Anwälte bilden mit einem kleinen Kreis von Richtern und Staatsanwälten die „Istanbul-Gruppe“, die die großen politischen Prozesse der Türkei steuert.
Ein türkisches Gericht hat den Menschenrechtsaktivisten Osman Kavala wegen Unterstützung der Massenproteste von 2013 zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Gericht befand den 64-jährigen Unternehmer und Philantropen am Montag für schuldig, den Sturz der Regierung versucht zu haben und schloss die Möglichkeit einer Entlassung auf Bewährung aus. Sieben weitere Angeklagte, darunter der Architekt Mucella Yapici, wurden bis zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt. Das Gericht ordnete ihre Verhaftung an, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete.
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kritisiert
Kavala war dem Prozess per Video zugeschaltet und sass mehr als vier Jahre ohne Urteil im Gefängnis. 2020 war er von der Anklage im Zusammenhang mit den Protesten um den Gezi-Park in Istanbul freigesprochen worden. Er wurde jedoch wegen anderer Vorwürfe sofort erneut in Haft genommen. Später wurde auch der Freispruch aufgehoben. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat 2019 geurteilt, Kavala werde zu Unrecht inhaftiert, um ihn und andere Menschenrechtler zum Schweigen zu bringen. Die Anklage gegen ihn werde nicht durch Beweise gestützt. Die Türkei argumentiert, die fortgesetzte Haft Kavalas stütze sich auf Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Putschversuch von 2016.