Wegen der Gewalt gegen Demonstranten in Belarus haben sich die EU-Außenminister auf Sanktionen gegen Staatschef Lukaschenko persönlich geeinigt. Im Fall Nawalny hat die Union russische Regierungsvertreter im Visier.
Von Stephan Ueberbach, ARD-Studio Brüssel
Die Europäische Union zieht die Daumenschrauben an. Angesichts der andauernden Gewalt gegen friedliche Demonstranten in Belarus könnten die Strafmaßnahmen gegen die Staatsführung schon bald deutlich ausgeweitet werden, heißt es in einem Beschluss der EU-Außenminister.
Es könne jetzt kein einfaches “Weiter so” geben, sagte Europas Chefdiplomat Josep Borrell. Auch der belarusische Staatspräsident Alexander Lukaschenko persönlich soll auf der Sanktionsliste landen, dazu weitere hochrangige Mitglieder seiner Regierung.
Bundesaußenminister Heiko Maas hatte sich schon am Morgen dafür stark gemacht. “Die Gewalt, die vom Lukaschenko-Regime ausgeübt wird, geht weiter”, sagte Maas. “Es gibt nach wie vor Verhaftungen von friedliebenden Demonstranten.” Er habe daher ein neues Sanktionspaket vorgeschlagen, “und zu den Personen, die dann sanktioniert werden, soll auch Lukaschenko gehören”.
Dialogbereitschaft gefordert
Vor allem die östlichen EU-Länder pochen schon seit Längerem auf einen harten Kurs. Auch, weil Lukaschenko nicht mit der Bürgerrechtsbewegung über Neuwahlen und einen friedlichen und demokratischen Übergang sprechen will.
“Wir sehen dazu beim belarusischen Regime keinerlei Bereitschaft, und Gespräche mit der Opposition in einer Gefängniszelle sind kein angemessener Dialog”, sagte Rumäniens Außenminister Bogdan Aurescu mit Blick auf den Gefängnisbesuch von Lukaschenko bei inhaftierten Regierungsgegnern.
Russland-Sanktionen auf dem Weg
Auch die EU-Sanktionen gegen Russland dürften schon bald verschärft werden. Der Giftanschlag auf den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny müsse Konsequenzen haben, hieß es zur Begründung. Mit der Herstellung des Nervengifts Nowitschok und dessen Einsatz sei das Recht gebrochen worden, sagte Finnlands Chefdiplomat Pekka Haavisto. Weil sich Moskau der Forderung nach Aufklärung des Falls bisher verweigert, unterstützt die EU geschlossen den deutsch-französischen Vorschlag, eine Reihe mutmaßlicher Drahtzieher des Attentats zu bestrafen.
Es sei außerordentlich wichtig, dass die Europäische Union “bei einem so schwerwiegenden Verbrechen” Geschlossenheit zeige, sagte Maas. “Das hat sie heute getan.” Eine entsprechende Namensliste liegt bereits vor, sie soll in den nächsten Tagen gerichtsfest gemacht werden.
Nach Ansicht von Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg sollte sich Europa aber gleichzeitig die Gesprächskanäle nach Russland offenhalten und eine doppelgleisige Strategie fahren: “Kante, wo notwendig, Dialog, wo möglich.”
Lukaschenko bei inhaftierten Regierungsgegnern.
Appell an Russland und Türkei
Angesichts des blutigen Konflikts um die Region Bergkarabach riefen die EU-Außenminister Armenien und Aserbaidschan dazu auf, sich an die vereinbarte Feuerpause zu halten und nach einer Verhandlungslösung zu suchen.
Nicht nur in Brüssel wachsen die Befürchtungen, dass sich die Gefechte zu einem Stellvertreterkrieg zwischen Russland und der Türkei ausweiten könnten. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte, auch die Regierungen in Moskau und Ankara sollten sich für ein Ende der Kämpfe einsetzen und ihre Einmischung in den Konflikt beenden. “Die Welt hat genug humanitäre Katastrophen”, so Asselborn.
Kritik an Spannungen im östlichen Mittelmeer
Auch die Ankündigung der Türkei, vor den Küsten von Griechenland und Zypern weiter nach Gasfeldern zu suchen, stößt bei der EU auf scharfe Kritik. Das führe nur zu neuen Spannungen und sei sehr bedauerlich, sagte der EU-Außenbeauftragte Borrell.
Bei ihrem Gipfel Ende der Woche werden sich die Staats- und Regierungschefs also aller Voraussicht nach mit der Frage beschäftigen müssen, wie ernst es ihnen mit der Sanktionsdrohung Richtung Türkei wirklich ist.